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Aus dem 18. Jahrhundert haben wir einige erhaltene Tänze, die hessischen Prinzen und Prinzessinnen gewidmet sind, einen Bezug zur hessischen Geschichte haben oder als Quellen heute in hessischen Bibliotheken verwahrt werden. Hessen kann sich angesichts der Vielzahl der Tänze hier durchaus glücklich schätzen, denn es ist eines der wenigen deutschen Länder, für die überhaupt eine signifikante Sammlung von Widmungstänzen aus der Zeit möglich ist. Da Hessen im 18. Jahrhundert in verschiedene Graf- und Landgrafschaften zersplittert war und die Grenzen des heutigen Hessens erst als Folge des 2. Weltkriegs gezogen wurden, sind dabei die Gebiete in den historischen und den heutigen Landesgrenzen Gegenstand der Untersuchung gewesen.

Die ersten dieser „hessischen“ Tänze, die mir bekannt wurden und die das Projekt angeregt haben, waren Zufallsfunde. So liegt in Darmstadt eine Tanzsammlung des Münchner Hoftanzmeisters Pierre Dubreil, die dieser 1718 mit einer Widmung für den Prinzen an den Darmstädter Hof gesandt hat. Neben anderen Tänzen sind darin zwei Tänze mit dem Titel „La Hessoise Darmstadt“ enthalten – ein auschoreographierter Tanz für ein Solopaar und eine Contredanse für beliebig viele Paare in einer Gasse. In Karlsruhe-Durlach liegt heute eine Pariser Quelle, die vermutlich um 1724 entstanden ist und die einen der seltenen Fälle eines Tanzes für zwei Paare mit dem Titel „La Darmstadt“ enthält. In einer Vielzahl von insbesondere angloamerikanischen Quellen finden sich zwei Longways „The Hessian Dance“ und „The Hessian Camp“, für dessen Melodien zudem mehrere Choreographien existieren.


Diese ersten Zufallsfunde wurden dann durch eine systematische Suche in mehreren Datenbanken und Tanzlisten ergänzt. Dabei habe ich rund 100.000 Einzeleinträge nach passenden Kandidaten durchsucht. Für jeden der rund 40 verdächtigen Fundstücke folgte dann zunächst eine kleine Recherche. Als Beispiel: Bezieht sich der Tanz „The Anspacher“, der im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg entstanden ist, auf das hessische (Neu-)Anspach oder das bayerische Ansbach? Insgesamt brachte diese systematische Suche im Verhältnis zum Aufwand allerdings vergleichsweise wenig neues Material. Jedoch wurde im Laufe der Auswertung klar, wie vergleichsweise selten Widmungstänze, die sich auf konkrete Personen oder Städtenamen beziehen, innerhalb des Gesamtkorpus des erhalten Tänze überhaupt sind. Oft half der Zufall, manchmal ein Bauchgefühl, weitere Tänze der Sammlung hinzuzufügen.


Als nächster Schritt werden die gefundenen Tänze, die erstellte Musik und Tanzbeschreibungen nun in meinen Frankfurter Workshops einer praktischen Überprüfung unterzogen. Durch die Tänze ist auch ein Bild einiger Elemente der Außenwahrnehmung Hessens im 18. Jahrhundert entstanden. Für das Jahr 2022 ist dann die Publikation des Buches „Hessen im Spiegel des Tanzes des 18. Jahrhunderts“ mit einer darin enthaltenen Begleit-CD geplant.


Das Projekt wurde gefördert im Rahmen des Kulturförderprogramms „Hessen kulturell neu eröffnen“.